Wenn sie das Wort "emissionsfrei" im Zusammenhang mit Elektroautos hören, dann läuft 15 Verkehrsprofessoren im Rentenalter ein Schauer über den Rücken. "Nach den Gesetzen der Physik ist ein emissionsfreies Bewegen großer Massen nicht möglich", schreiben sie in einer gemeinsamen Stellungnahme. Passend zu den laufenden Verhandlungen zur Regierungsbildung in Deutschland und Österreich wurde das siebenseitige Papier diese Woche in Berlin und Wien veröffentlicht. Es soll mit der Illusion aufräumen, dass man unser gegenwärtiges Verkehrssystem mit dem schlichten Wechsel von Verbrennungs- zu Elektromotoren zukunftsfähig machen könnte. "Vielfach gewinnt man den Eindruck, dass bei dieser Diskussion die Gesetzmäßigkeiten der Physik außer Acht gelassen werden", schreiben die Wissenschaftler
(Sie können die Stellungnahme hier als PDF-Datei herunterladen).
Ihre Kritik verbinden sie mit klaren Forderungen an die Politik. Dazu gehört die Einführung von Effizienzstandards für Elektroautos. "So zu tun, als sei der Verbrauchswert letztlich irrelevant – wie es Ausdrücke wie 'Null-Emission' oder 'Zero-Energy' suggerieren", habe schwerwiegende Folgen. Es fehle jeder Anreiz für die Hersteller, sparsame Elektroautos zu konstruieren und zu vermarkten. Denn ihr CO₂-Ausstoß wird offiziell stets mit null Gramm gewertet – egal wie viel Energie sie tatsächlich verbrauchen. Dabei müssen die Fahrzeuge, ihre Batterien und der Ladestrom ja auch erst einmal erzeugt und später auch wieder entsorgt werden – mit den entsprechenden Emissionen in Bergbau, Industrie und Kraftwerken.
Damit der Verbrauch aller Autos – egal ob sie mit Benzin, Diesel, Erdgas oder Elektrizität angetrieben werden – realistisch verglichen werden kann, sei die Einführung einer genormten Berechnung für die CO2-Gesamtemissionen eines Fahrzeugs erforderlich. Grundlage müsse dafür der jeweils aktuelle Energiemix im Stromnetz sein, "damit auch ein Impuls für den Ausbau ökologischer Energieproduktion entsteht." Helmut Holzapfel, Hauptautor der Stellungnahme und ehemaliger Leiter des Fachgebiets Integrierte Verkehrsplanung und Mobilitätsentwicklung an der Uni Kassel, kann sich sogar vorstellen, den Strommix zur jeweiligen Tageszeit zugrunde zu legen. Denn nachts, wenn Elektroautos vor allem geladen werden, gibt es keinen Solarstrom. Dafür ist der Anteil an Kohle- und Atomstrom oft deutlich höher als tagsüber.
Der realistische Wert für den CO₂-Ausstoß von Elektroautos müsse dann auch für die Berechnung des Flottenverbrauchs zugrunde gelegt werden, so die Stellungnahme der Professoren. Denn mit der derzeitigen Bewertung aller Elektroautos als emissionsfrei "lohnt es sich natürlich für die Hersteller, gerade große und schwere Verbrenner durch entsprechend große und schwere (oder noch schwerere) Elektrofahrzeuge zu ersetzen". Das sei nicht nur ein böser Verdacht, betont Helmut Holzapfel, "ich habe es mehrfach von Ingenieuren aus der Automobilindustrie gehört".
Tatsächlich ist der Anteil besonders schwerer Stadtgeländewagen, der SUVs, an allen Neuzulassungen in den vergangenen 20 Jahren von zwei auf mehr als 20 Prozent hochgeschossen. Ein ähnlicher Trend drohe jetzt bei Elektroautos. Je höher ihre Leistung und Reichweite, desto größer und schwerer sind die Batterien, die sie an Bord haben müssen. "Es besteht ein dringender Anlass, Größe und Gewicht von Personenfahrzeugen zu begrenzen oder wenigstens zu besteuern", schreiben die Verkehrsprofessoren. Denn nicht nur der Energieverbrauch steigt mit Größe und Gewicht eines Fahrzeugs überproportional an, auch die Feinstaubemissionen aus dem Abrieb von Bremsen und Reifen sowie die Abnutzung der Straßen nimmt zu, Letztere sogar in der vierten Potenz der Achslast. Ein einziger über zwei Tonnen schwerer Tesla schadet dem Straßenbelag so sehr wie 16 halb so schwere VW-Polos mit Benzinmotor.
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